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Zwischen Planung und Intuition – Beny Ruhstaller über die Kunst, Stadt zu denken

  • Autorenbild: Roy Hofer
    Roy Hofer
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Beny Ruhstaller, Immobilien- Spezialist



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Man spürt es schnell, wenn Beny Ruhstaller spricht: Für ihn ist Stadtentwicklung kein abstraktes Planen, sondern ein sozialer Prozess – ein Wechselspiel von Haltung, Erfahrung und Geduld. Seit über zwei Jahrzehnten prägt er mit seiner Arbeit als Gebiets- und Arealentwickler die Schweizer Städte. Ruhstaller, der vielen als «Mister Glattpark» bekannt wurde, hat wie kaum ein anderer die Gratwanderung zwischen Vision und Realität durchschritten – mit einem klaren Blick für Menschen, Milieus und Märkte.



Vom Holzhäuschen zum Glattpark


Die Faszination für Räume begann früh. Als Zehnjähriger baute er in der Freizeitanlage Heuried in Zürich ein kleines Holzhäuschen – acht Quadratmeter, grüne Fensterläden, unzählige Stunden Hämmern und Bauen. «Zufall oder nicht», erinnert er sich, «mein erstes eigenes Haus mit 25 hatte ebenfalls grüne Läden.» Damals legte sich der Grundstein für eine Haltung, die bis heute bleibt: Räume entstehen durch Tun, nicht durch Theorien.

Ruhstaller kam nicht als klassischer Architekt oder Städteplaner in die Branche, sondern als Nutzungs- und Marketingspezialist. «Anfangs musste ich mir Respekt verschaffen», sagt er rückblickend. «Ich war der, der über Zielgruppen und Vermarktungstauglichkeit sprach, während andere über Parzellengrenzen diskutierten.» Doch gerade dieser andere Blick – von der Nutzung her gedacht – sollte sich als zukunftsweisend erweisen.



Quelle: Luftbild vom 7. September 2023 co / Comet Photoshopping Dieter Enz
Quelle: Luftbild vom 7. September 2023 co / Comet Photoshopping Dieter Enz


Die Transformation des Glattparks


Als im Jahr 2000 das 700 000 m² grosse Niemandsland zwischen Zürich und Opfikon zum Entwicklungsgebiet Glattpark erklärt wurde, suchten rund 25 Eigentümer nach einer gemeinsamen Vision. «Nach 40 Jahren Planung gab es endlich einen gültigen Quartierplan», erzählt Ruhstaller. «Aber noch keine Idee, wie man diese teure Wiese in einen lebendigen Stadtteil verwandeln konnte.»

In einem kleinen Wettbewerb setzte sich Ruhstaller mit seinem Ansatz durch: Statt PR-Parolen forderte er Immobilienvertrauen. «Ich war überzeugt, dass Glattpark keine Kommunikations-, sondern eine Immobilienfrage war. Wenn Investoren nicht an diese Wiese glauben, hilft kein Marketing der Welt.»

Er gründete das Gebietsmarketing Glattpark, vertrat die Eigentümer nach innen und aussen – und blieb dem Areal 23 Jahre treu. «Am Anfang gab es nichts – keine Strukturen, keine Vorbilder. Wir mussten alles selbst erfinden.» In dieser Zeit hielt Ruhstaller über tausend Führungen, entwickelte Nutzungs- und Vermarktungskonzepte, begleitete Abstimmungen und trug Konflikte aus. «Irgendwann habe ich begriffen, dass Stadtentwicklung vor allem eine Kommunikationsfrage ist», sagt er. «Gute Architektur reicht nicht – sie muss erzählt, verstanden und mitgetragen werden.»

Dass er irgendwann den Beinamen «Mister Glattpark» erhielt, empfand er zunächst als Etikett. «Gegen Ende habe ich verstanden: Meine Konstanz, das stetige Dranbleiben - damit war ich selbst Teil der Kommunikation.»


«Gute Architektur reicht nicht – sie muss erzählt, verstanden und mitgetragen werden.»


Zwischen Idealismus und Realpolitik


Aus dem Glattpark nahm Ruhstaller viele Erkenntnisse mit. «Hätte man gewisse Regelungen damals flexibler gestaltet, wäre heute manches einfacher», sagt er. Für ihn steht fest: Planen braucht Haltung – aber auch Mut, Beschlüsse zu hinterfragen, wenn sie sich in der Praxis nicht bewähren.

«Ein erfolgreiches Projekt ist nie das Werk einer Disziplin», betont er. «Es braucht das Zusammenspiel von Architektur, Nutzung, Ökonomie und Kommunikation.» Besonders kritisch sieht er Fachplaner, die ohne Bezug zur Vermarktungsfähigkeit arbeiten: «Wer nie einen Mieter gesucht hat, unterschätzt, wie viel Pragmatismus gute Architektur braucht.»

Für Ruhstaller ist Qualität im Städtebau kein Selbstzweck, sondern die Balance aus Gestaltung, Atmosphäre und Alltagstauglichkeit. «Man muss den Mut haben, nicht alles durchzuplanen. Raum lebt vom Ungeplanten, vom Menschlichen.»



Gesellschaft, Verantwortung und Milieus


Über die Jahre arbeitete Ruhstaller mit nahezu allen grossen Schweizer Entwicklern – von Allreal bis Implenia, von Losinger Marazzi bis Halter. «Was sich verändert hat, ist das Bewusstsein», sagt er. «Früher zählte der Quadratmeterpreis, heute auch die gesellschaftliche Wirkung.»

Er sieht darin eine Chance: «Wenn Projekte wirtschaftlich tragfähig sind, können sie auch sozial und ökologisch Verantwortung übernehmen.» Doch warnt er vor zu starren Regulierungen. «Wir brauchen mehr Flexibilität, um aus Büros Wohnungen machen zu können, wenn sich Märkte ändern. Bauzonen dürfen kein Korsett sein.»

Ruhstaller beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Zielgruppen- und Milieustudien. Zusammen mit dem SVIT entwickelte er die Wohn- und Lebenswelten der Sinus-Milieus für den Schweizer Immobilienmarkt. «Das Mehrgenerationenhaus oder die soziale Durchmischung funktionieren nur, wenn man versteht, wer dort wirklich leben will.»



Das Paradox der Dichte


Die Schweiz – dicht und zugleich zersiedelt. Für Ruhstaller kein Widerspruch, sondern ein Auftrag. «Das sternförmige Wachstum in die Landschaft hinaus musste gestoppt werden – das war richtig. Aber jetzt müssen wir den Mut haben, innen verdichteter zu bauen. Sonst verlieren wir beides: Landschaft und Stadt.»

Er plädiert für Anreize statt Zwang: «Bauunwillige Eigentümer mitten im Siedlungsgebiet sollten zur Entwicklung motiviert werden – sanft, aber bestimmt.»



Der Glattpark ist ein Stadtquartier in Opfikon, direkt an der Grenze zu Zürich.
Der Glattpark ist ein Stadtquartier in Opfikon, direkt an der Grenze zu Zürich.


Rückblick und neue Perspektiven


Ruhstaller weiss, dass Stadtentwicklung selten geradlinig verläuft. «Rückschläge gehören dazu. Immobilienmenschen stehen wieder auf – und versuchen es noch einmal, besser als zuvor.» Heute, nach Jahrzehnten intensiver Arbeit, hat er viele Projekte in neue Hände übergeben. «Das war der richtige Moment.»

Er geniesst die Ruhe in Beinwil am Hallwilersee, in den Bergen, am Meer – und bleibt doch verbunden mit dem, was ihn immer antrieb: der Wandel von Orten. Neben seinen VR-Mandaten bei Artemis Real Estate und Uze/Bühler betreut er noch eigene Bestände, beobachtet, wie neue Generationen die Stadt anders denken.



Zwischen Klima, Konzepten und Realität


Über Nachhaltigkeit spricht er unaufgeregt. «Als das Minergie-Label kam, dachte man: Wer das nicht hat, kann kein Haus mehr verkaufen oder vermieten. Heute gibt es unzählige Labels – doch der Mieter will einfach gut und bezahlbar wohnen.» Trotzdem sieht er die Fortschritte im nachhaltigen Bauen positiv. «Technisch hat sich enorm viel getan – das Bewusstsein ist da.»

Starre Mobilitätskonzepte lehnt er ab: «Wenn sie an den Nutzern vorbeigeplant werden, verfehlen sie ihren Zweck.»

Grösstes Problem? «Die Distanz zwischen Planern und Eigentümern. Viele Planer planen Pläne – aber zu wenige setzen sie um.» Er spricht nicht verbittert, sondern sachlich – mit der Erfahrung eines Lebens in der Schnittstelle von Vision und Machbarkeit.



Ein Quartier von morgen


Wie sähe ein zukünftiges Quartier aus, wenn Beny Ruhstaller es frei gestalten dürfte? Er zögert keine Sekunde: «Ich würde mit den Menschen beginnen. Wer soll hier morgen leben und arbeiten? Erst dann folgt die Architektur.»

Diese Umkehrung ist sein Credo geblieben – seit jenem Jahr, als ein Zehnjähriger in Zürich Heuried an seinem kleinen Holzhaus mit grünen Fensterläden baute – und damit die vielleicht einfachste aller architektonischen Wahrheiten fand: Gute Räume entstehen, wenn man sie für Menschen baut.



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