Der Wunsch von Susi Kramer Künstlerin zu werden entstand schon früh: Sie kann sich noch gut an einen Tag im Kindergarten erinnern, an welchem den Kindern die Geschichte vom Schellen-Ursli erzählt wurde und sie im Anschluss hierzu etwas zeichnen durften, was sie während der Geschichte empfunden hatten. Dieses Moment hat Kramer seit dann begleitet. Es war für sie sehr bedeutend auszudrücken, was man fühlt und zu experimentieren.

In unmittelbarer Umgebung ihres Elternhauses gab es vor allem zwei Inspirationsquellen für die damals noch kleine Susi Kramer. Eine alte Ziegelei bot Zugang zu Lehm, mit welchem sie Figuren gestaltete und eine Grube, in welcher Leute alte Kleider, Schuhe und dergleichen entsorgten, gaben ihr die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Gegenständen zu experimentieren. Schon damals verbrachte sie ihre Zeit am liebsten Draussen in der Natur, konnte man doch so viel beobachten und bestaunen.

Diese Naturverbundenheit widerspiegelt sich auch heute noch in den Motiven ihrer Kunstwerke: immer wieder tauchen Bäume oder vor allem Blumen auf. Nach ihrer Schulzeit wollte sie gerne eine Kunstschule besuchen, aber Stipendien, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht. Aus Pragmatismus entschied sie sich schliesslich für eine KV-Lehre, lebte daneben aber stets ihre Kreativität aus. So besuchte Kramer bereits mit 16 Jahren freie Kurse an der Kunstgewerbeschule in Basel und mit 18 Jahren ging sie für 3 Wochen nach Paris, wo sie jeden Tag den Louvre besuchte. Dieser Aufenthalt in Frankreichs Hauptstadt war der Beginn einer lebenslangen Liebesbeziehung zu diesem Land. Später kaufte sie sich eine kleine Wohnung in Paris und ein Atelier an der Côte d’Azur. Während der Süden mit seinem Meer, der Beschwingtheit und dem einzigartigen Licht sie inspirierte und faszinierte, war für sie Paris der Ort für Kunst schlechthin und Oberhof mit seiner Berglandschaft erweiterte ihre Inspiration nochmals mit ländlichen Motiven.

Nebst ihrer Malerei, die von Farben, Licht und Transparenz geprägt ist und ihre grundlegende positive Lebenshaltung widerspiegelt, begann sie in den 1990er Jahren auch Skulpturen mit Farbe zu kreieren, die ihr heutiges Schaffen noch prägen. 1993 wurde sie für ein Kunst am Bau-Projekt beauftragt. An einer Schule durfte sie ein 15 Meter langes Fries gestalten. Zuerst hatte sie ein Muster auf Acrylglas angefertigt, das von den Kindern jedoch abgekratzt hätte werden können. Recherchen führten sie zu einer besonderen Technik, bei welcher Acrylglas in einem Giessverfahren bearbeitet wird. Ein Architekt gab ihr daraufhin einen Kontakt zu jemandem in Fribourg, der diese Technik anwendete. Zu Beginn hat sie lediglich einzelne Farbflächen und Figuren in Acrylglasobjekte eingegossen, später begann sie mehrschichtige Flächen in ein Glasobjekt zu integrieren, die verschiedene Lichtverhältnisse und Perspektiven beobachtbar machen. 

Ein weiteres zentrales Moment in ihrem Leben war der Transfer des Zuhauses von Oberhof nach Hongkong. Verwendete sie während ihres früheren Aufenthalts im Iran noch vielfach die Farben beige, violett oder rosa – inspiriert von der Wüste oder vom seltenen Regen – explodierte ihre Farbpalette durch die Eindrücke Hongkongs, denn hier war alles so bunt und voller Beleuchtungen. 

So wie sich von einem zum nächsten Lebensort zu treiben lassen schien, so vielfältig war Susi Kramers Präsenz auch in der Kunstwelt. Gingen viele ihrer Kolleg:innen strategisch vor, so war die Malerin an kleineren Ausstellungen, grossen Formaten und Kunstmessen präsent – wie es für sie jeweils gerade stimmte. Nach dem Aufenthalt in Teheran konnte sie 5 Bilder zur Weihnachtsausstellung in Aarau einreichen. Ein paar hiervon wurden für die Schau angenommen und die Aargauer Zeitung druckte daraufhin eines der Werke gross ab und bezeichnete Susi Kramer als «neuer leuchtender Stern am Kunsthimmel». Nach einer Kreation eines Kunstwerks auf einer grossen Rolle Papier in ihrem Pariser Atelier griff sie zum Telefonhörer und nahm mit verschiedenen Galerien in Basel Kontakt auf. Bei Carzaniga stiess sie auf offene Ohren und Augen und wurde sofort ins Programm aufgenommen – eine Zusammenarbeit, die bis heute anhält. Zudem konnte sie auch für einige bekannte Unternehmen spezielle Kundengeschenke anfertigen, so zum Beispiel für Kambli Schachteln, Tassen für Langenthal oder für Keramik Laufen Teller. 

Von all ihren Aufenthalten war jener in Hongkong für Susi Kramer wohl am inspirierendsten, so lässt zumindest ein Blick in ihren Garten vermuten. Dort befinden sich rund 1'000 eckig oder rund geschnittene bis zu 5 Meter hohe Buchsbäume. Das Projekt war ursprünglich für eine Ausstellung im Kunsthaus Aarau angedacht, das sie mit zahlreichen Buchsbäumen, Sitzbänken und Musik ausstatten wollte. Schnell musste sie jedoch feststellen, dass die Erwerbung der Bäume ein ziemliches teures Unterfangen war. Aus Deutschland bestellte sie daraufhin 2'000 Setzlinge und mit der Unterstützung ihres Vaters konnte sie die Setzlinge rhythmisch angeordnet in einer Gärtnerei pflanzen. Nach einigen Jahren wurde das Land wieder zurückgefordert und zum Leid ihrer Kinder, die auf dem eigenen Garten vor dem Haus gerne Fussball spielten, fanden die Buchsbäume dort ein neues Zuhause und ihre herabgefallenen kleinen Blätter fanden fortan auch Platz in ihren Acrylarbeiten. Noch heute spürt Susi Kramer inmitten der Buchbaum-Landschaft stehend eine ganz besondere Energie: es ist, als würde man in einer anderen Welt stehen. Sie umgibt einen und fliesst wieder aus einen heraus.